Lucifer Rising

London, Januar 2010

»Sicherlich haben Sie, wie jeder anständige Bürger Großbritanniens, die Nachrichten der letzten Wochen in den Zeitungen und im Fernsehen verfolgt. Wenn nicht, müssen Sie entweder blind und taub in einem sein oder extrem hinterwäldlerisch leben. Angenommen, Sie sind keins von beidem – was meinen Sie? Herrscht vor unserer Haustür ein kleiner Straßenkrieg, oder dürfen wir mit Terroristen rechnen? Also, ich finde die Idee eines okkulten Teufelsklans, angeführt von steinreichen Konzernchefs, nicht schlecht, immerhin sehen die Leichen zum Teil ja ziemlich übel aus, nicht wahr? Einige sind vollkommen zerrissen, oder ihnen fehlt das Blut… und Kinder sind doch generell ein beliebtes Opfer für satanische Zeremonien. Einige Waisenheime beklagen das Fehlen mehrerer Babys und Kinder, aber vielleicht wurde da auch nur wieder ein Skandal aufgedeckt.
Mich wundert heutzutage gar nichts mehr.«

Wenn dieser Sprecher wüsste, dass er mit seinen Theorien gar nicht mal so falsch gelegen hatte, dann würde er sich wahrscheinlich hüten, noch weitere Vermutungen anzustellen und schnell schweigen.
Die Wahrheit lautet nämlich: Es herrscht schon lange Krieg.
Kriege, von denen die Menschen nichts mitbekommen, weil sie sich außerhalb ihrer Wahrnehmung befinden – und nicht gesehen werden sollen. Die Polizei tappt im Dunkeln, kann sie doch immer nur Spuren von Verbrechen finden, die schon längst geschehen sind und keinerlei Zusammenhänge zu haben scheinen. Übel zugerichtete Leichen im Hyde Park, die wie ein Pentagramm angeordnet aufgefunden werden? Solche, denen gar nichts zu fehlen scheint, aber dennoch tot sind? Was treibt sich auf den Straßen herum, dass es wie ein leises Unheil, unfassbar und dennoch so existent, wie ein schlechtes Gefühl, umgeht?
In der uralten Metropole, jener Ort, der von den gewöhnlichen Menschen gar nicht wahrgenommen wird und sich unter London befindet, herrscht ebenfalls Unruhe. Auch hier sind Verluste zu beklagen. Gefallene Engel, verstoßene Dämonen, rudelunfähige Lykaner und ungehorsame Vampire –kurzum; alles, was in Unter-London so aufzufinden ist- beschuldigt die jeweils andere Partei seine Finger bei diversen blutigen Aufständen im Spiel zu haben.
Schon sind die ersten Ausläufe der Auseinandersetzungen in London spürbar und zwingen die Clans zu handeln.
Eine Frage jedoch drängt sich wohl jedem auf, der sich mit diesem Mysterium befasst, und die wäre, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Seit Jahrhunderten war der Krieg zwischen den einzelnen Parteien der Stadt eine Fehde, die im Verborgenen ausgetragen wurde. Was treibt sie nun dazu, die schützende Anonymität aufzugeben und sich sogar an öffentlichen Plätzen zu bekämpfen?
Nun, die Antwort ist wohl einfach und doch kompliziert. Der Krieg weilt unter ihnen. Eine hinterhältige, noch körperlose Gestalt, die wohl besser als apokalyptischer Reiter bekannt sein sollte und in die Stadt gerufen wurde, um sein Unwesen zu treiben. Heraufbeschworen von Lucifer selbst, soll er nur der Anfang sein, bis seine Brüder folgen. Chaos und Verzweiflung sollen die Stadt der Schornsteine heimsuchen und sie dem Erdboden gleichmachen, um die uralte Metropole von dem zu reinigen, was die Pläne des Teufels noch durchkreuzen könnte, immerhin trachtet er nach dem Ende der Welt. Während die ahnungslosen Bewohner der Stadt noch immer davon überzeugt sind, dass es sich bei den Morden um die Werke von Satanisten oder sogar Terroristen handelt, so haben jene, die um die Geheimnisse der Welt wissen, längst verstanden, dass etwas Angsteinflößendes geschieht, dem Einhalt zu gebieten ist, bevor man die Stadt nicht mehr retten kann. Doch werden sie es wirklich schaffen, sich dem Teufel entgegenzustellen und den Krieg zu vernichten? Dies, meine Lieben, ist Teil einer Geschichte, die noch geschrieben werden muss…